„Einen surfenden Jäger, der Bier braut und eine Schafherde hat! Hast du so jemanden schon mal gesehen?“ Diese Kombination findet man bei der Wachtelbräu in Gossenberg, in der Person des Brauers Moritz Seiler. 2021 hat sich der gelernte Physiotherapeut seinen Traum einer eigenen Brauerei verwirklicht und damit sein Hobby professionalisiert. Viele Coburger kennen sein Bier bereits, denn das gibt es exklusiv im Goldenen Hirsch in der Judengasse. Im Interview spricht der Brauer über Authentizität und Regionalität sowie die „Ferz“, die ihm so im Kopf rumschwirren. Ein echter Franke, mit einer großen Leidenschaft zum Gerstensaft.
Moritz, du hast eine Ausbildung und ein Studium zum Physiotherapeuten absolviert. Was hat dich dazu bewogen jetzt eine Brauerei zu gründen und dich als Bierbrauer selbstständig zu machen?
Das Brauen habe ich im Alter von 19 Jahren mit einem 20 Liter Ein-Weck-Topf in der Waschküche meiner Mutter begonnen. Von ihr bekam ich auch das Buch „Gutes Bier selbst brauen.“ Darin blättere
ich heute noch gerne und nutze daraus Rezepte. Aus dem Hobby wurde dann eine richtige Leidenschaft und egal wo ich beruflich auch war, mein Equipment zum Hobby-Brauen zog immer mit mir umher! Aus
den 20 Litern wurde dann zunächst eine Kapazität von 100 Litern. Irgendwann kam ich zurück nach Franken, traf auf meine heutige Frau und entschied mir hier etwas aufzubauen. Wir zogen in das Haus
in Gossenberg, wo wir heute wohnen und ich auch braue. Direkt an das Haus angebunden, gab es einen alten Kuhstall. Der war recht schnell ein „Grümbelraum“! Eines Tages habe ich beschlossen: jetzt
fliegt alles raus und ich mache daraus eine Mini-Brauerei. Das hat dann ein Jahr gedauert. Alles in Eigenarbeit zusammen mit Freunden und der Familie. Wir haben nicht nur gerade Wände geschaffen
(gar nicht so einfach in einem Jahrhunderte alten Kuhstall die Wände zu fließen), sondern auch viele Teile der Brauanlage sind Marke Eigenbau. Ich braue in einem früheren Milchtank, der Boden des
Läuterbottichs ist selbst geschweißt und mein Braupaddel aus Holz ist in Handarbeit hergestellt. Aus den 100 Liter sind mittlerweile 300 Liter Braukapazität geworden. Ein erster 500 Liter
Lagertank steht bereits neben der Anlage und drei weitere sind schon im Zwischenlager und warten noch auf den Einbau. Das Brauen ist für mich aber weiterhin nur ein Hobby und ein Nebenerwerb,
denn die Physiotherapie ist ein Teil von mir, welchen ich nicht aufgeben möchte.
Was qualifiziert dich als Bierbrauer zu arbeiten? Braucht es eine Ausbildung oder macht es die langjährige Erfahrung?
Eine Ausbildung zum Brauer habe ich ja nicht gemacht. Das empfinde ich aber nicht als Nachteil, denn ich gehe mit Leidenschaft an die Sache ran. Das „Erlernen“ war bei mir daher eher ein
„learning by doing“. Wenn ich eine Idee habe, versuche ich diese umzusetzen. Falls es nicht klappt, dann habe ich daraus gelernt. Früher gab es auf den Dörfern überall Brauhäuser. Auch da waren
ja in der Regel keine Brauer tätig, sondern die Dorf-Brauhäuser entstanden aus der Not heraus, da die Landbevölkerung nach der Arbeit etwas zu trinken wollte. Da gab es sicherlich auch viele
„Brauexperimente“. Heute gibt es mittlerweile (wieder) viele Fachfremde, welche ins Brauen „rein schmecken“ und das schafft Vielfalt und Geschmacksindividualität. Bier hat einfach Tradition und
bei der versuche ich zu helfen sie aufrecht zu erhalten.
Du hast schon in verschiedenen Regionen und Ländern gearbeitet. Was hat dich zurück nach Franken gezogen? Wo schmeckt das Bier am besten?
Ich habe tatsächlich versucht meine Heimat zu verlassen, denn man muss ja mal was von der Welt gesehen haben! Bei mir hat das aber nicht gefruchtet (lacht). Ich bin einfach Franke und deshalb
musste ich auch wieder hierher zurück. In der Schweiz war es beispielweise wirklich sehr schön und ich habe viele Freunde dort, aber es ist halt nicht Franken!
Die Frage, wo das Bier am besten schmeckt, lässt sich nicht so einfach beantworten. Natürlich trinke ich sehr gerne fränkische Biere, aber wenn ich beispielsweise nach Pilsen fahre, werde ich
dort ein original Pilsener trinken. („Wenn’s gut schmeckt – sorry!“) In München hingegen trinke ich ein Weißbier und so weiter. Bier ist eine regionale Sache, denn die Zutaten sind überall
anders. Das fängt schon beim Wasser an, denn Wasser ist nicht gleich Wasser. Jede Quelle hat andere Inhaltsstoffe und das hat, beim handwerklichen Brauen, auch eine Auswirkung auf das Ergebnis.
Es gibt eine solche regionale Vielfalt, sodass man nicht einfach alle Biere miteinander vergleichen kann.
Du legst Wert auf den regionalen Bezug der Zutaten für dein Bier. Warum?
Die Flaschen, welche ich verwende, kommen aus Schleusingen, das Malz und die Hefe aus Bamberg, das Wasser aus Coburg und der Hopfen zumindest aus Deutschland. Perspektivisch aber gerne auch aus
Franken (zumindest zum veredeln). Mein Anspruch ist es ein authentisches, fränkisches Produkt herzustellen und das geht eben nur mit Regionalität.
Wie kam es zum Namen Wachtelbräu?
Meine Frau hatte die Idee für die Namensgebung. Wir hatten mal ein paar Wachteln und sie meinte, dass Wachteln klein und edel sind, so wie meine Brauerei (lacht)! Und so entstand die Wachtelbräu.
Wie sieht der Alltag eines selbstständigen Bierbrauers aus?
Aktuell braue ich nur ungefähr einmal im Monat. Da stehe ich so um 6:30 Uhr auf und lasse das Wasser ein. Das muss dann erstmal ca. eine Stunde aufheizen. Danach geht es ans einmaischen und
rasten. Gegen Vormittag oder Mittag wird geläutert. Anschließend wird die Würze gekocht und der Hopfen kommt dazu. Das folgende Ausschlagen mache ich per Hand. Mein Schwiegervater hat mir dafür
ein Braupaddel aus Holz selber gebaut. Das ist mein „Fitnessstudio“! Für das Umpumpen habe ich aber eine elektrische Pumpe, das gebe ich zu. Alle anderen Schritte sind reinste Handarbeit. Jeden
Tropfen Bier hatte ich mal in der Hand, das ist mir wichtig, um ein authentisches Produkt herzustellen. Gegen 16 Uhr ist das Brauen selbst dann abgeschlossen. Allerdings geht es dann noch ans
Sauber machen. Ein großer Teil der Arbeit beim Brauen ist das Putzen, denn Bier ist ein sehr leicht angreifbares Lebensmittel. Hygiene spielt deshalb eine große Rolle. Sollte das Bier nämlich
kippen, wird es ungenießbar und lässt sich nicht verkaufen. Dann wäre ein ganzer Arbeitstag umsonst gewesen.
Kannst du kurz das Angebot der Wachtelbräu vorstellen? Wo kann man dein Bier kaufen?
Kellerbier braue ich immer, das ist Standard. Dazu kommen noch saisonale Angebote und Specials. Beispielsweise hatte ich im vergangenen Jahr ein Stout Bier zum Saint Patrick’s Day (ein fränkisch
gebrautes Stout ist einfach mega cool, das gibt es nächstes Jahr in jedem Fall wieder), einen Maibock (hell, lieblich, die Beste Art den Frühling zu begrüßen) und in der dunklen Jahreszeit auch
einen dunklen Bock angeboten. Aber auch ein Weißbier braue ich immer mal wieder (wie ich lustig bin - übrigens nach wie vor nach dem gleichen Rezept wie zu Beginn mein allererstes Bier). Ich habe
immer wieder „Ferz“ (Ideen), die ich dann ausprobiere. Dafür müssen dann meine „Versuchskaninchen“ aus Familie und Freunden herhalten. Die probieren und geben mir Feedback. Wenn das Bier taugt,
darf es unters Volk und wenn nicht, dann hat mich mal wieder ein Versuch etwas klüger gemacht.
Ausgeschenkt wird mein Bier aktuell exklusiv im Gasthof zum Goldenen Hirsch in Coburg. In einem Geschäft wird es nicht verkauft. Ich habe aber Stammkunden, die rufen mich an und bestellen im
Voraus, wenn sie was brauchen. Durch private Feiern und den Gasthaus-Ausschank werden Leute durchs probieren auf mein Bier aufmerksam und so kommen immer wieder auch neue Kunden hinzu. Bei Bier
ist Mund-zu-Mund Propaganda wirklich die beste Werbung und eine größere Menge würde ich derzeit auch gar nicht schaffen.
Du sprichst immer wieder von deinen „Ferz“. Was sind das denn für kreative Einfälle? Welche Kreation ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Selbstverständlich schaue ich, was andere machen, und probiere auch mal exotische Biere. So hatte ich kürzlich ein hawaiianisches Bier, welches mich begeistert hat. Das habe ich versucht selbst
zu interpretieren und heraus kommt die „Itz-Welle“, ein fränkisches Bier mit Hawaii-Flair. Während meiner Zeit in der Schweiz habe ich einmal mit Hanf gebraut. Als Bier dürfte man das bei uns
nicht bezeichnen, da es nicht dem Reinheitsgebot entsprach. Jetzt wo ich drüber nachdenke, sollte ich vielleicht mal prüfen, ob es einen Weg gibt, das bei uns auch herzustellen, denn das war
nämlich eine erfolgreiche und ziemlich leckere Kreation.
Was war für dich die größte Schwierigkeit beim Gründen?
So wirkliche Schwierigkeiten hatte ich eigentlich nicht. Natürlich gibt es bestimmte Auflagen, die man erfüllen muss und die Amtsgänge sind manchmal etwas zäh. Die Anmeldung beim Zoll
funktionierte aber beispielsweise problemfrei. So waren es dann auch eher die Renovierungsarbeiten im eigenen Stall, welche die Probleme machten. Da gab es durchaus kritische Blicke und in meinem
Bekanntenkreis sagte man mir nicht nur einmal, dass ich das Ganze doch lieber bleiben lassen soll.
Wie sehen deine Pläne für die Wachtelbräu aus? Möchtest du wachsen? Soll Personal eingestellt werden? Soll das Angebot vergrößert werden?
Es gibt immer „Ferz“, die man hat. Erstmal möchte ich aber bei einer Kapazität von 300 Litern bleiben. Ein guter Braufreund sagte mir kürzlich: „So wie du dich anhörst, bleibt es nicht dabei!“
Selbstverständlich gibt es den Wunsch sich immer weiter zu professionalisieren. Zeitgleich habe ich aber großen Respekt vor weiteren Investitionen und der Ungewissheit, ob sich diese dann auch
bezahlt machen werden. Jetzt bin ich erstmal froh, dass sich die Brauerei in der heutigen Version selbst trägt. Deshalb wird es Erweiterungen nur nach und nach und im kleinen Maßstab geben. Den
Traum einer kleinen „Heckenwirtschaft“ neben der Brauerei habe ich aber schon.